DBV beklagt Druck auf die Landwirte
Die Erntegutbescheinigung sorgt weiter für Unmut in der Landwirtschaft. Der Bauernverband wirft der STV GmbH vor, den Agrarhandel und damit auch die Landwirte mit Abmahnungen unter Druck zu setzen und diese so in ihr Erntegut-System zwingen zu wollen. DBV-Generalsekretär Krüsken appellierte an die Händler, zu einem fairen Umgang mit den Landwirten zurückzukehren. In dieselbe Kerbe schlug die AbL; sie warnte, Landhandel und Landwirte sollten sich nicht auseinanderdividieren lassen.
Die sogenannte Erntegutbescheinigung beziehungsweise das diesbezügliche Vorgehen der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) sorgt weiterhin für erheblichen Unmut in der Landwirtschaft. Der Deutsche Bauernverband (DBV) wirft der STV vor, unverändert den Agrarhandel und damit auch die Landwirte mit überzogenen und übergriffigen Abmahnungen unter Druck zu setzen und diese so in ihr Erntegut-System zwingen zu wollen. Inakzeptabel ist aus Sicht des DBV vor allem, dass den Landwirten bürokratische und datenschutzrechtlich fragwürdige Prozeduren aufgezwungen werden sollen. "Dieses Geschäftsgebaren der STV diskreditiert die Erzählung von der mittelständischen Pflanzenzüchtung, die für sich eine besondere Schutzbedürftigkeit beansprucht", erklärte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken am Mittwoch (11.6.) in Berlin.
Laut Krüsken hat der Druck der STV offenbar dazu geführt, dass mehrere Agrarhändler unverhältnismäßige Forderungen an die Landwirtschaft stellen und den Eindruck erwecken, dass zur Erfüllung des Erntegut-Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) nur die Erntegutbescheinigungen der STV zulässig seien. Dabei habe der BGH lediglich eine Erkundigungspflicht des Handels festgestellt, jedoch keinerlei Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung gemacht. Eine rechtliche Verpflichtung zur Nutzung der STV-Erntegutbescheinigung sei daraus nicht abzuleiten, stellte der DBV-Generalsekretär klar.
Das BGH-Urteil werde hier bewusst falsch interpretiert und als Druckmittel gegen die Landwirte missbraucht, monierte Krüsken. Zur Erfüllung der Erkundigungspflicht reiche nämlich auch eine einfache Selbsterklärung des Landwirts aus. Geschäfts- und Lieferbedingungen des Agrarhandels, bei denen Abrechnung und Zahlung gelieferter Ware an die Vorlage einer STV-Bescheinigung gebunden würden, seien nicht durch das Erntegut-Urteil gedeckt und als problematisch zu bewerten.
Der DBV-Generalsekretär betonte zugleich, "wir verstehen, dass auch die Händler Rechtssicherheit benötigen". Dennoch könne nicht akzeptiert werden, dass überzogene Rechtsauslegungen durch die Kette weitergegeben und einseitig zulasten der Landwirte ausgetragen würden. Zudem sind diese Methoden laut Krüsken kartell- und wettbewerbsrechtlich als fragwürdig anzusehen. Er forderte die sofortige Einstellung dieser irreführenden Kommunikation zu angeblich rechtlichen Verpflichtungen und appellierte an die Agrarhändler, zu einem fairen und transparenten Umgang mit den Landwirten zurückzukehren.
Aus Schaden nichts gelernt?
Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kritisierte das Vorgehen der Pflanzenzüchter. Diese drohten Landhandelsunternehmen und Landwirten mit Abmahnungen und Klageverfahren vor Landgerichten. Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) und die STV hätten aus Schaden nichts gelernt.
Die AbL unterstellt BDP und STV vor, es gehe ihnen in diesem Streit nicht mehr nur um die Nachbaugebühren. Vielmehr gehe es ihnen um Marktmacht über den lukrativen Saatgutmarkt, und das in einer Situation, in der Genossenschaften und private Landhandelsunternehmen sowie viele landwirtschaftliche Betriebe um die wirtschaftliche Existenz kämpften.
Als interessant bezeichnete es die AbL, wie unterschiedlich der Agrarhandel mit der Situation umgeht. Einige Unternehmen agierten als verlängerter Arm der STV und schrieben an ihre Kunden, dass sie nur noch die Erntegut-Bescheinigung der STV akzeptierten, und drohten bei Nichtvorlage damit, die Ernte der Landwirte nicht abzunehmen beziehungsweise, dass die Landwirte diese kostenpflichtig wieder abzuholen hätten.
Andere Genossenschaften und private Landhändler akzeptierten und verteilten indes die Erntegut- beziehungsweise Lieferantenerklärung der IG Nachbau, mit der die Landwirte feststellten, dass sie ihre sortenschutzrechtlichen Bedingungen einhalten. Es gehe also auch anders, so die AbL. Landhandel und Landwirte sollten sich nicht auseinanderdividieren lassen.
Von Kokritz bei der Getreidetagung
Eine Gelegenheit für alle Seiten - Pflanzenzüchter, Landwirte und Händler - aufeinander zuzugehen und die Lage zu entspannen, bietet sich möglicherweise am 26. Juni bei der Getreidetagung in Weihenstephan. Dort wird STV-Geschäftsführer Dr. Moritz von Köckritz uns ein Update zur Umsetzung der Erntegutbescheinigung in Folge des BGH-Urteils zum Sortenschutz geben, heißt es in der Programmvorschau des Verbandes der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS). Der Verband zitiert in der Einladungsmail von Köckritz mit den Worten: "Es gibt keine Verpflichtung für Erfasser von Erntegut, die Erntegut-Bescheinigung zu verlangen, sie ist ein Angebot. Die Erfasser entscheiden selbst, auf welche Weise sie die rechtmäßige Erzeugung des Ernteguts sicherstellen."
Derweil stellte von Kokritz am Mittwoch in Bonn unter Berufung auf ein anderes BGH-Urteil klar, dass der Agrarhandel durch geeignete Maßnahmen sicherstellen müsse, dass das Erntegut von den Betrieben ordnungsgemäß erzeugt worden sei, entweder durch den Anbau von Z-Saat- und -Pflanzgut oder durch fristgerecht gemeldetem und bezahltem Nachbau.
Die STV erinnerte daran, dass am 30. Juni die Rückmeldefrist für die Nachbauerklärung Herbst 2024/Frühjahr 2025 endet. Die Meldung kann online unter www.stv-bonn.de erfolgen. Werde diese Frist verpasst, könnte das nicht nur im Hinblick auf die dadurch begangene Sortenschutzverletzung finanzielle und rechtliche Folgen haben, sondern gefährde auch die Vermarktungsfähigkeit der Ernte, gab die STV zu bedenken. Von Köckritz wies einmal mehr darauf hin, dass die Sortenschutzinhaber einen erheblichen Aufwand zur Züchtung neuer leistungsfähiger Sorten betrieben und auf die Zahlung der Nachbaugebühren angewiesen seien. AgE